Puls, Kalorien, Schritte – Apps und Activity Tracker zeichnen fleißig auf, wieviel wir uns bewegen, wie lange wir schlafen und wieviel Kalorien wir vertilgt haben. Neue Technik liefert immer mehr persönliche Daten. Die Kombination von Apps mit verschiedenen Gadgets wie, vernetzten Fitnesswaagen, Pulsgurten und Blutdruckmessgeräten liefert einen Datenberg über das eigene Ich.
Bewegungssensoren und Softwareentwicklungen ermöglichen die automatisierte Erfassung von Daten zu Sport und Gesundheit. Das regelmäßige Messen und Dokumentieren von Vitalitätswerten und Aktivitäten gehört für Self Tracker heute zum Alltag. Was früher nur chronisch Kranken und Spitzensportlern vorbehalten war, ist zum Trend geworden.
Mittlerweile kann jeder Smartphonebesitzer die persönliche Entwicklung anhand von Daten nachzuvollziehen und steuern. Quantified Self heißt diese noch sehr junge Bewegung aus den USA, die mittlerweile auch Deutschland erreicht hat. Ihr Credo: ““Selbsterkenntnis durch Zahlen“.
Vom Self Tracking zur Selbsterkenntnis
Die permanente Selbstüberwachung dient in erster Linie dazu ein Bewusstsein für mehr Bewegung und eine gesündere Lebensweise zu schaffen. Eigentlich kein gänzlich neues Phänomen. Bereits in der Vergangenheit haben Menschen ihr Leben in Excel-Tabellen oder Tagebüchern dokumentiert. An die Stelle von Stift und Papier sind nun Smartphone-Apps und Sensoren getreten.
Die regelmäßige Auswertung der digitalen Daten schärft den Blick für Gewohnheiten und bisher unbeachtete Zusammenhänge: z. B. Immer wenn ich spät esse, schlafe ich unruhig. Die gesammelten Resultate können so Auskunft geben über schlechte Angewohnheiten oder ungesunde Ernährungsweisen. Menschen können sich grundsätzlich nur schwer selbst einschätzen. Nur wer sein Verhalten kennt, kann es auch ändern und sich zu dem Menschen entwickeln, der er sein möchte. Dahinter steht der Wunsch, sich durch bewussteres Leben in sämtlichen Bereichen zu verbessern: Job, Familie, Sport, Freizeit. Ziele der Self Tracker sind beispielsweise: Gewicht abzunehmen, einen Marathon zu laufen, weniger zu rauchen oder Stress zu reduzieren. Selbstoptimierung mit dem Ziel gesünder zu Leben, fit und leistungsfähiger zu sein.
Technische Hilfsmittel
Steigendes Gesundheitsbewusstsein trifft auf Gamification. Apps und Wearbables verbinden auf spielerische Art praktische Gesundheits-Anwendungen mit dem Spaß an der Gerätenutzung. Angefangen hat alles mit Apps wie Runtastic oder Nike+ Running, die die tägliche Joggingrunde messen. Über das GPS-Signal des Smartphones berechnen sie Distanz, Geschwindigkeit und Kalorienverbrauch. Die Ergebnisse können gespeichert, geteilt und mit anderen verglichen werden.
In den Appstores gibt es inzwischen über 100.000 verschiedene Apps für Gesundheits- und Fitnessanwendungen: von Kalorienzählern, über Schrittzähler, bis hin zu Trink-Erinnerungs-Apps. Zig Millionen Downloads haben eine kleine App-Industrie entstehen lassen. Ergänzt werden diese Apps durch Wearables und andere vernetzte Gadgets.
Activity Tracker, meist als Armband getragen, erstellen anhand der zurückgelegten Schritte ein tägliches Aktivitätsprofil. Rund um die Uhr getragen zeichnen sie auch den Schlaf auf und informieren den Nutzer über Leicht- und Tiefschlafphasen. Körperwaagen, die sich über Bluetooth mit dem Smartphone verbinden übermitteln Gewicht und Körperfettwerte.
Der Hersteller Medisana stellt ein ganzes Sortiment an Produkten zur Gesundheitskontrolle zur Verfügung. Alle wesentlichen Vitalwerte können bequem zu Hause gemessen werden: egal ob Blutdruck, Blutzucker oder Körpertemperatur. Wer es ganz bequem haben möchte, trägt ein elektronisches Pflaster. Der Hersteller bewirbt es als individuelles Gesundheitssystem. Eine Woche lang getragen, wertet es bis zu 20 verschiedene Vitaldaten aus. Anschließend schickt man das Pflaster an Medisana zurück. Neben einer Online-Ansicht aller Vitalwerte, erhält man auch ein Feedback von erfahrenen Fachmedizinern. Wem das noch nicht ausreicht, der kann für wenige hundert Euro bei einem Onlinedienst seine Gene analysieren lassen. Eine Speichelprobe genügt.
Selbstbestimmung oder Überwachung?
Während Self Tracker die Freiheit schätzen Herr über die eigenen Daten zu sein, warnen Kritiker vor permanenter Überwachung. Sie befürchten, dass die Daten in die falschen Hände geraten könnten. Immerhin handelt es sich bei Vitalwerten um sensible persönliche Daten. Wenn die Werte beispielsweise in sozialen Netzwerken geteilt werden, erhalten die Anbieter der Plattform häufig Nutzungsrechte an den Daten. Informationen, die vor allem für Pharmafirmen, Krankenkassen oder Marketingchefs sehr interessant sein könnten.
“#QuantifiedSelf und #SelfTracking: Selbstbestimmung oder Überwachung?“
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Die Befürworter glauben hingegen, dass die Daten zur Früherkennung und Bekämpfung von Zivilisationskrankheiten beitragen könnten. Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht könnten mit stetiger Selbstvermessung bekämpft werden. Der ständige Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten könnte das Gesundheitswesen demokratischer und transparenter gestalten. Die Informations- und Deutungshoheit läge nicht länger nur bei den Ärzten. Mit den Messungen erfährt jeder Einzelne mehr über seinen Gesundheitszustand. Dieses Wissen könnte nicht nur ärztliche Diagnosen und Therapien unterstützen, sondern auch das Arzt-Patienten Verhältnis neu definieren. Der Patient würde als gleichberechtigter Gesprächspartner wahrgenommen und könnte sich im Zweifelsfall leichter eine zweite Meinung einholen.
Kritiker bemängeln dagegen das blinde Vertrauen in Zahlen und statistische Auswertungen und geben zu bedenken, dass meist viele verschiedene Faktoren bei einer Krankheit zusammenfließen, auch solche, die bei den Analysen nicht erfasst werden. Eine vollständige Erbgutanalyse könnte auch diese Faktoren eines Tages offen legen.